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Rede anlässlich der AfD-Gegendemo in Siegburg
Liebe Freunde,
mein Name ist René Böttcher, ich bin Schauspieler und Regisseur und leite mit meinen Kollegen die Studiobühne Siegburg.
Ich möchte meiner kleinen Rede voranstellen, dass ich kein Talent besitze, um Sie mit Ironie und Sarkasmus zu unterhalten. Ich beherrsche auch nicht die Sprache eines Politikers. Meine Worte sind die eines Künstlers.
Heute und in den Debatten der letzten Monate fiel immer wieder ein Satz:
Es sei der Wunsch nach den „einfachen Lösungen“, die Afd, Pegida und wie sie alle heißen, so stark macht – Es sei der Wunsch nach „einfachen Lösungen“ - immer mit dem Zusatz, dass es einfache Lösungen in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht gäbe.
Ich möchte mahnen, dass es ebenfalls eine „einfache Lösung“ ist, diejenigen, die sich heute dort unten (unterer Markt) versammelt haben, als ewig gestrig, unverbesserlich, dumm und weltfremd abzustempeln. So schwer uns die Duldung der AfD-Parolen auch fällt. Ich muss etwas Banales und Denkwürdiges erkennen. Da unten stehen unsere Mitbürgen – da unten stehen unsere Nachbarn. Sie gingen zur Schule, wie wir, sie gehen Hobbys nach, wie wir, Sie arbeiten beim Bäcker, in Kitas, in Krankenhäusern, manche haben studiert, wie manche von uns, sie nehmen am Straßenverkehr teil, sie freuen sich mehr über Strüßje und Pralinen am Rosenmontag als über kleine Bonbons – wie wir. Es ist eine „einfache Lösung“ sie als hohl, sie als meinungsunwürdig abzustempeln.
Als wir über die Banker und Ackermänner hergezogen sind und über sie sagten, sie hätten Maß und Mitte verloren und seien gierig ---- haben wir uns da gefragt, ob auch wir vielleicht auch Maß und Mitte verloren haben und gierig sind?
Als wir über die Industrie hergezogen sind und über sie sagten, sie täte nichts gegen den Klimawandel, gegen Plastiktüten, Privatisierung von Wasser, gegen Abgase von Dieselautos, gegen Ressourcenverbrauch ---- haben wir uns da gefragt, was wir gegen den Klimawandel, gegen Plastiktüten, Privatisierung gegen Abgase von Dieselautos, gegen Ressourcenverbrauch tun?
Als wir über Politiker hergezogen sind und über sie sagten, sie hätten keine Ahnung, was die kleine Frau, der kleine Mann auf der Straße denkt ---- haben wir uns da gefragt, was unserer Kollege, unser Freund – was unser Nachbar eigentlich denkt? In welcher Gesellschaft möchte mein Nachbar eigentlich leben?
Jetzt stehen unserer Nachbarn da unten. Grölend. Wir hier stehen hier oben.
Wir hatten es uns sehr kuschlig eingerichtet in unserer „Aller-4-Jahre-Kreuzchen-machen-Demokratie“. Das Demokratie anstrengend ist, wissen wir theoretisch, wie wir theoretisch wissen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.
Demokratie in der jetzigen Form war für uns auch eine sehr „einfache Lösung“ doch ihre Folgen werden gerade heute sichtbar. Wir waren nie w i r k l i c h angehalten, uns mit Themen auseinanderzusetzen, die unser gesellschaftliches Miteinander angehen. Spätestes jetzt, da wir die Spaltung unserer Gesellschaft vernehmen, müssen wir einsehen, dass es uns gut getan hätte, hätten wir die Möglichkeit eine direkte Demokratie zu leben. Wir müssten uns miteinander unterhalten, wir müssten streiten, wir müssten, wie wir das heute hier gemeinsam tun, für Werte eintreten, wir müssten uns, ob am Stammtisch oder in der Firmenzentrale, um Argumente bemühen. Und wir müssten uns vertrauen.
Ich finde es großartig, dass wir uns heute versammelt haben! Als wir uns hier nämlich nicht versammelt haben wurde die Würde des Menschen mit Harz 4 Stiefeln getreten, als wir uns hier nicht gesehen haben, wurden Banken statt Menschen gerettet, als wir uns hier nicht gesehen haben wurden Griechenlands profitable Flughäfen an Fraport und das Land Hessen verkauft und gleichzeitig griechische Krankenhäuser geschlossen, und Ihr erinnert euch möglicher Weise auch an all jene Tage, an denen wir uns nicht gesehen haben und deutsche Soldaten nach Nordafganistan aufgebrochen sind.
Wenn es eine einfache Lösung gibt, so könnte sie vielleicht nur so lauten:
Mitfühlen Handeln Hinsehen
Mitfühlen Handeln Hinsehen
Und danach:
Mitfühlen Handeln Hinsehen